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Durst wird durch Bier erst schön

GAMBRINUS IST NUR EIN DRUCKFEHLER

Der sagenhafte Erfinder des Bieres wurde selbst erfunden.

GAMBRINUS IST NUR EIN DRUCKFEHLER

Gambrinus Becker-Brauerei

Wer denn nun eigentlich das Bier erfunden habe - das wollten die Zecher zu allen Zeiten gerne wissen. Und so erfand man eben einige Erfinder. Die Sumerer machten ihre Fruchtbarkeitsgöttin Nin-Harra verantwortlich. Die Ägypter behaupteten, es sei das göttliche Geschwisterpaar Isis und Osiris gewesen. Und die Abendländer nahmen Herrn Gambrinus in Anspruch.

Der griechische Historiker Diodorus Siculus, der im ersten Jahrhundert v. Chr. lebte, ist, soweit es die ägyptische Bier-Historie betrifft, ganz exakt. Er führt aus, Osiris habe das aus gemälzter Gerste bereitete Bier im Jahre 2017 v. Chr. erfunden und zuerst in der Stadt Pelusium gebraut.

Dieser Hinweis ist gar nicht so uninteressant. Denn an anderer Stelle behauptet Siculus, Osiris habe die Braukunst nicht erfunden, sondern nur eingeführt. Und ähnliches mag wohl geschehen sein: Hier können Sie lesen, wie die Ägypter nach der Einfuhr von babylonischem Bier selbst mit dem Brauen begannen - und wie die Stadt Pelusium sich in dieser Hinsicht besonders hervortat.

Nach anderen Überlieferungen zog Gott Osiris mit einem ganzen Gefolge von Gauklern und Musikanten um die Welt, um anderen Völkern das Bierbrauen beizubringen - vor allem denen, die keinen Wein kannten und doch auch ein Recht auf ein Getränk hatten, das »nur um ein Geringes hinter dem Wein zurückblieb im Duft und in der Wirkung«.

Bei den europäischen Bier-Historikern herrscht Uneinigkeit. Es kommt ja recht selten vor, dass man für eine erfundene Geschichte gleich mehrere historische Personen zur Hand hat. Bei Herrn Gambrinus ist das aber so. Da gibt es manche, die behaupten, Gambrinus sei der Leib-Bierbrauer Karls des Großen gewesen. Der hätte also im 9. Jahrhundert gelebt. Die zweite Gruppe möchte ihn als »Jan Primus« sehen - zu deutsch: Johann I. Der war im 13. Jahrhundert ein flämischer Adeliger. Die dritten peilen einen anderen »Jan Primus« an, der im 16. Jahrhundert König von Flandern und Brabant war.

Dass keiner von ihnen das Bier erfunden hat - darüber brauchen wir hier nicht weiter zu sprechen. Was die drei mit dem Bier zu tun hatten und ob ihnen wenigstens die Rolle eines Schutzpatrons der Brauer zusteht, müsste man untersuchen.

Da ist zunächst der karolingische Bierbrauer. Er ist nirgendwo historisch belegt und wird es uns, sollte es ihn tatsächlich gegeben haben, nicht weiter übelnehmen, wenn wir ihn hier außer acht lassen.

Dann kommt der Jan Primus aus dem 13. Jahrhundert. Auf einem Bild im Deutschen Brauereimuseum zu München, das aus dem 16. Jahrhundert stammt, steht vermerkt: »Im Leben ward ich Gambrinus genannt, König zu Flandern und Brabant.

Ich hab aus Gersten Malz gemacht und Bierbrauen zuerst erdacht. Drum können die Brauer sagen, dass sie einen König zum Meister haben.«

Gambrinus, König zu Flandern und Brabant

Dieser Herzog Johann I. von Brabant hat tatsächlich gelebt, und zwar von 1250 bis zum 3. Mai 1294 - ein ritterlicher, prachtliebender Bursche. Man hat später behauptet, dass ihn die Brauergilde von Löwen in Belgien zu ihrem Schutzherrn wählte und dass er auch Ehrenvorsitzender der Brüsseler Brauerzunft war. Beides war er nicht; diese Ämter hatte sein Nachfolger, Johann II. Aber den hätte man schlecht »Jan Primus« nennen können, allenfalls »Jan Secundus«, und daraus wäre auch bei großer buchstabenverdrehender Mühe nie ein »Gambrinus« geworden.

Herr Johann I. trat als Minnesänger hervor, er sang flämisch und französisch. 1294 kam er bei einem Turnier ums Leben. Und zwar auf eine recht gemeine Art, wie ein Doctor Wecker aus Colmar berichtet.

Allerdings schrieb er das erst sehr viel später auf, 1593. Jan Primus trug mit dem französischen Ritter von Valseneuve einen Zweikampf aus. Johann war ein berühmter Fechter, der Franzose hatte es schwer. Da griff der zu einer List und rief: » Was ist das? Ihr fechtet zu zweit gegen mich?«

Jan Primus drehte sich erstaunt um. Da erstach ihn der Franzose von hinten und sprach: »Ich weiß es doch - Euer Helfer war das Bier, das Ihr vor dem Turnier getrunken habt. Ihr seht: Ich habe beide besiegt.«

Leider ist diese schöne Geschichte auch nur die reine Phantasie - ausgedacht, um aus Jan Primus eine Art Märtyrer des Biers zu machen.

Zu dem anderen Jan Primus, der noch zur Debatte steht und im frühen 16. Jahrhundert lebte, ist zu sagen, dass er weder historisch noch sonst irgendwie ins Bild passt.

Lediglich Hans Sachs, der dichtende Schuster, bezog sich auf ihn, als er seine Gambrinus-Verse schrieb. Er mischte auch die Turnierleidenschaft des anderen Jan Primus aus dem 13. Jahrhundert hinein - allerdings wenig ehrerbietig. Sein Gedicht heißt, ins Umgangsdeutsche gebracht: »Wer als erster das Bier und das Turnier der vollen Brüder erfunden hat.«

Eine ganz kühne Geschichte tischt Herr Aventinus (der eigentlich Johannes Turmair hieß) im Jahre 1519 in seinen »Annales Bajorum« auf, der »Bayerischen Chronik«. Er sagt da, Gambrinus sei in vorchristlicher Zeit der Sohn eines deutschen Königs Marsus gewesen. Er habe unter anderem die Stadt Hamburg gegründet (die deshalb zunächst »Gambrivium« geheißen habe) und dann ums Jahr 1730 v. Chr. die Göttin Isis geheiratet, während sie mit ihrem Bruder Osiris auf ihrer Good-Will-Tour in Sachen Bier durchs Abendland reiste. Von der habe er die Brauerei gelernt und seine Kunst flugs übers ganze Abendland verbreitet.

Es ist ganz interessant, nachzuforschen, wie Herr Aventinus auf den »König Marsus« und den Sohn »Gambrinus« kam. Das geht auf den Römer Tacitus zurück der - allerdings nicht im Zusammenhang mit dem Bier - von zwei Germanenstämmen berichtete, den Marsi und den Gambrivii.

Maximilian I. hatte einen Geschichtsschreiber, dem nichts besseres einfiel, als nach den Aufzeichnungen von Tacitus die Herren Marsus und Gambrivius zu erfinden, die fürstliche Ahnherren des Herrn Maximilian sein sollten. Von dem schrieb Herr Aventinus phantasievoll ab, wie das zu jener Zeit gang und gäbe war. Nicht genug damit: Ein Drucker in Antwerpen täuschte sich im 16. Jahrhundert beim Setzen eines Manuskripts. Er machte aus dem »Gambrivius« einen »Gambrinus«.

Demnach wäre Gambrinus nur ein Druckfehler.

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