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Durst wird durch Bier erst schön

JEDES WASSER SCHMECKT ANDERS

Warum sind Münchner und Dortmunder Biere so verschieden? Daran ist die Beschaffenheit des Wassers schuld. Genauer gesagt: Was darin enthalten ist.

Wasser und Licht 1

"Auch gruben Isaaks Knechte im Grunde und fanden daselbst einen Brunnen lebendigen Wassers" singt der Poet, der das erste Buch Mose verfasste.

Der Poet singt falsch. Wasser ist nichts Lebendiges, sondern das Allertoteste, das man sich vorstellen kann: Die Verbindung zweier steriler chemischer Elemente, Wasserstoff und Sauerstoff.
Allerdings gilt das nur für chemisch reines Wasser, und weder in Isaaks Brunnen noch sonstwo in der Natur kommt es so rein vor. Es hat immer Beimengungen - und auf die kommt es an. Auch beim Bierbrauen. Immerhin bestehen mehr als 80 Prozent des Biers aus Wasser.

Wir können davon ausgehen, dass jede Brauerei in Deutschland nur Wasser verwendet, das einwandfrei ist. Manche Bierfachleute sagen, dass ihr Brauwasser besser sei als das übliche Trinkwasser der Gegend. Das mag schon sein. Bierbrauer geben sich große Mühe, erstklassige Quellen, Brunnen und Grundwasserschichten aufzuspüren. Sie sind auch bereit, hohe Transportkosten in Kauf zu nehmen und Wasser viele Kilometer weit herzuschaffen.

Das kann ins Geld gehen. Noch vor 50 Jahren brauchte man für einen Hektoliter Bier 20 Hektoliter Frischwasser. Heute hat man diese Menge auf sechs bis neun Hektoliter reduziert. Manche Brauereien kommen mit fünf Hektolitern aus. Aber auch das ist nicht wenig.

Das erstaunliche Verhältnis zwischen Wasser und der gewonnenen Biermenge rührt natürlich nicht davon her, dass im Sudhaus derart viel Wasser eingekocht und verdampft werden muss. Viel Wasser wird zum Reinigen gebraucht (denn da ist man im Braugewerbe sehr heikel), anderes wird zum Kühlen verwendet. Und da gibt es inzwischen die Möglichkeit, mehrere Wasserkreisläufe anzulegen. Kühlwasser muss durchaus nicht so erstklassig sein wie das, aus dem Bier hergestellt oder mit dem die Sudpfanne gereinigt wird.
Zweimal jährlich untersuchen Beamte das Wasser jeder Brauerei. Das ist staatlich so verordnet. Vor allem wird nach Schwermetallen geforscht - nach Kadmium oder Blei -, die sich zunehmend im Grundwasser ablagern. Die medizinische und hygienische Qualität der Brauwässer, die in Deutschland verwendet werden, ist von staatswegen unbestritten.

Wesentliche Probleme, vor denen die Braumeister stehen, betreffen auch gar nicht die absolute Qualität des Wassers. Manche Wässer, die auch nach strengen Maßstäben einwandfrei sind, taugen dennoch nicht zum Brauen. Das hängt mit Bestandteilen zusammen, die - obwohl ganz unschädlich - nachteilig aufs Bier einwirken. Es gibt da zwei Gruppen solcher Bestandteile. Die einen sind organischer Natur. Jedes Wasser schmeckt anders und beeinflusst auch den Geschmack des Biers. Beim Brauvorgang kann sich dieses Aroma verstärken. Und es gibt eben Geschmacksnuancen, die Biertrinker nicht mögen.

Das andere Problem sind die Salze.

Jedes Wasser - wenn es nicht chemisch rein und destilliert ist - enthält solche Salze. Häufig sind es Kalzium- und Magnesium-Salze oder Bikarbonate. Diese Salze löst das Wasser aus dem Boden, durch das es sickert. Sie sind völlig normal und absolut unschädlich für Mensch oder Tier. (Manche machen das Wasser sogar zu teurem Gesundheits-Getränk.) Aber sie können auf das Malz in Maische und Bierwürze einwirken. Sie beeinflussen die enzymatischen Vorgänge, also zum Beispiel die Umwandlung der Stärke des Getreides in Malzzucker. Oder sie hindern die Hefe, richtig zu wirken.

Salze sind es, die - zusammen mit anderen Chemikalien - die "Härte" eines Wassers ausmachen. Sie sind es auch, die das Bier einer bestimmten Gegend typisch schmecken lassen - selbst wenn sie nur in so winzigen Spuren auftreten, dass deshalb kein Chemiker eines Gesundheitsamtes zweimal hinschauen würde. Menschen mit feiner Zunge sprechen sogar von bestimmten "Städtetypen« des Biers. Zumindest lassen sich Münchner und Dortmunder Biere unterscheiden. Im Dortmunder Wasser sind vorwiegend Salze der Schwefelsäure wirksam, im Münchner Wasser Karbonate, also Salze der Kohlensäure.

"Hart" sind beide Wasser, in München wie in Dortmund, denn beide enthalten relativ viel Salze - nur eben verschiedene. Hingegen ist das Wasser in Pilsen, mit dem der berühmte "Urquell« gebraut wird, sehr salzarm und deshalb weich.

Die Salze wirken nicht nur auf die Zubereitung der Würze ein. Sie nehmen auch Einfluss auf den Hopfen. Das tun sie zumeist durch den unterschiedlichen Säuregehalt des Wassers, der durch Art und Menge der Salze bestimmt wird. Das Zustandekommen eines Biers und nachher sein Geschmack hängen stark von diesem Säuregrad des Wassers ab.

Die Säurespuren im Wasser sind dabei ganz minimal. Man schmeckt sie nicht, wenn man ein Glas "sauren« Wassers trinkt. Aber für den Gärprozess sind sie bedeutsam, Wenn das Wasser zu wenig davon enthält - wenn es, wie die Fachleute sagen, eher alkalisch ist -, wirken die Enzyme beim Aufbau des Malzzuckers nicht kräftig genug. Das verlangsamt den Prozess der Würzebildung oder macht die Würze weniger ertragreich. Sie wird - wenn das Wasser zu wenig Säure hat - auch dunkler. Außerdem werden die Hopfenbitterstoffe intensiver gelöst; der Hopfengeschmack ist dann nicht mehr angenehm und fein, sondern derb und aufdringlich. Deshalb gibt man bei Bieren, die aus wenig sauren, alkalischen Karbonat-Wässern gebraut werden, von vorneherein etwas weniger Hopfen zu.

Dunkles Malz löst sich in alkalischem Wasser besser als helles. Das ist der Grund, warum man mit Karbonat-Wässern, wie sie in München aus dem Boden kommen, einfacher dunkles Bier brauen kann.

Und die Dortmunder haben es deshalb einfacher als die Münchner, gute helle Biere zu brauen.

Doch inzwischen hat die Wissenschaft eine ganze Reihe von Methoden entwickelt, um auch alkalische Wässer so zu verändern, dass man gutes helles Bier mit ihnen herstellen kann. Oft setzt man unschädliche chemische Stoffe zu - beispielsweise gesättigtes Kalkwasser, das einen Teil der alkalischen Bestandteile bindet, so dass man sie herausfiltern kann. Oder man benutzt ein Osmose-Verfahren, bei dem die Karbonat-Salze durch halbdurchlässige Filter diffundieren. Ganz modern sind sogenannte lonenaustauscher. Die binden die unerwünschten Teile im Wasser als Ionen - also als winzige Partikel in der Größe von Molekülen - und geben dafür Wasserstoff-Ionen ab.

Kurz: Wer kein ideales Brauwasser hat, braucht große und teure Anlagen, um sich welches zu verschaffen. Aber der Aufwand lohnt sich. Denn schonende Veränderung des Wassers führt oft zu weit besseren Bieren, die weich, mild und schaumhaltig sind.

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