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Durst wird durch Bier erst schön

WIE KOMMT DER SCHAUM AUFS BIER?

Die feinen Bläschen geben Auskunft über Qualität. Und über Sauberkeit. Fett, zum Beispiel, mögen sie nicht leiden.Bierschaum

KohlensäureÜber die Schaumbildung des Biers sind schon ganze Bücher geschrieben worden. Denn Biertrinker verlangen einfach, dass ihr Getränk schäumt. Der Schaum sieht ja nicht nur hübsch aus. Er ist auch ein Zeichen für Qualität. Erstens zeigt er, dass das Bier das richtige Maß an Kohlensäure enthält. (Die muss es haben, damit es erfrischend schmeckt.) Zweitens deutet der Schaum an, dass die Würze richtig zusammengestellt war. Nur ein Zusammenwirken vieler Komponenten bewirkt, dass der Schaum feinblasig und auch so stabil ist, dass er nicht gleich nach dem Einschenken zusammenfällt.

Manche wiederum mögen den Schaum gar nicht so sehr. Er wirkt ihnen zu aufgeblasen. Sie möchten schneller dorthin vordringen, wo das Bier flüssig ist. Doch auch sie sollten wissen, was der Schaum übers Bier aussagt.

Dazu muss man allerdings erst untersuchen: Wie kommt er überhaupt aufs Bier? Und woraus besteht er?

Bier, das im Fässchen ruhig liegt, hat keinen Schaum. Der entsteht erst beim Einschenken. Erstens durch die Luft, die bei diesem Vorgang ans Bier kommt. Vor allem aber durch die Kohlensäure (die ja gar keine flüssige Säure ist, sondern ein Gas). Sie perlt in kleinen Bläschen aus, steigt nach oben und würde - wenn es Mineralwasser wäre und kein Bier - in die freie Luft davonfliegen.

Das Bier aber enthält Bestandteile, die feine, elastische Häutchen bilden können. Die umhüllen das Gas. So entstehen winzige Ballons. Die Klebekraft der Bläschen verhindert, dass die Ballons davonfliegen.

Das Material der elastischen Hüllen um die Gasbläschen besteht aus einem Gemisch vieler Substanzen, die noch gar nicht alle analysiert sind. Vor allem gehören Abbauprodukte vorn Eiweiß dazu, das mit dem Malz in die Würze kam. Andere Bestandteile steuert der Hopfen bei. Die haben zwar nicht die Fähigkeit, selbst elastische Häutchen zu bilden. Aber sie unterstützen die Eiweißstoffe bei diesem Vorhaben. Ohne Hopfen käme es nicht zu schönem, langlebigem Schaum.

Der Fachmann kann aus der Konsistenz des Schaumes viele Details ablesen. Zum Beispiel, ob genügend und auch guter Hopfen verwendet wurde. Ob der Eiweißgehalt im Malz richtig war; zu wenig Eiweiß bringt keinen Schaum, zuviel wirkt ebenfalls störend. Ob das Maischverfahren gestimmt hat, ob beim Abläutern geschlampt wurde oder die Würze zu lange kochte. Alles wirkt sich auf den Schaum aus.

Nun ist es kein Problem, auch unter ungünstigsten Umständen einen hervorragenden Bierschaum zu fabrizieren. Man braucht nur künstliche Schaummittel zu nehmen. Da gibt es viele, von Metallsalzen, die man der Würze beimischt, bis zum Akazien-Gummi, den man direkt ans Malz gibt.

Diese Mittel bringen die schönsten Bläschen zustande. Und würde man das Bier nur mit dem Auge trinken, könnte man voll zufrieden sein. Aber die Geschmacksnerven sind es meistens nicht. Die Zusatzstoffe verderben das Aroma. Derart behandeltes Bier schmeckt - vor allem nach längerer Lagerzeit - ganz anders.

Deshalb sind diese Zusatzstoffe in Deutschland verboten.

Was gibt es noch über den Bierschaum zu sagen? Sehr Wichtiges, doch oft zu wenig Beachtetes. Lesen wir im berühmten "Abriss der Bierbrauerei" von Professor Ludwig Narziß!

Da steht: "Der Bierausschank stellt eine letzte, aber entscheidende Fehlerquelle dar: Ein Unterschreiten des Kohlensäure-Sättigungsdrucks im Leitungssystem, ungeeignete Ausschankarmaturen, ungenügend gereinigte Bierleitungen sind ebenso von Nachteil wie Biergläser, die durch Speisedunst oder unvollkommene Reinigung einen Fettfilm aufweisen."

Wir zitieren dies so nachdrücklich, weil die Unsauberkeit wirklich der größte Feind des Bierschaums ist. Das wussten schon die Studenten vor hundert Jahren, wenn sie glaubten, der Wirt gebe ihnen allzuviel Schaum in den Krug, um Bier zu sparen. Sie kannten einen einfachen Trick. Mit einer Speckschwarte rieben sie vor jedem neuen Füllen geschwind ihren Krug aus. Dann bildete sich so gut wie gar kein Schaum mehr.

Denn schon Spuren von Fett zerstören die Fähigkeit des Biers, jene elastischen Häutchen zu bilden, mit denen die Kohlensäure festgehalten wird.

Andererseits - was ist dagegen zu sagen, den Schaum noch vor seiner Entstehung zu zerstören? Er kann auf diese Weise die Qualität des Biers nicht mehr anzeigen, das ist richtig. Bier ohne Schaum sieht auch nicht sehr hübsch aus. Aber dem Bier selbst, seiner Zusammensetzung und seinem Aroma, geschieht doch nichts?

Das ist richtig. Bier verändert durch eine Spur von Fett seine Konsistenz ebensowenig wie seinen Geschmack. Und ob man den Schaum optisch so sehr schätzt, dass man ihn unbedingt braucht, muss jeder selbst entscheiden. Doch dieser Schaum hat ja noch eine weitere Aufgabe. Er wirkt gewissermaßen als schützender Deckel überm Inhalt des Glases. So verhindert er, dass die im Bier enthaltende Kohlensäure frei hinausperlt und in der Luft verfliegt. Er sorgt also dafür, dass auch Bier, das schon länger im Glase steht, noch frisch und nicht schal schmeckt. Denn diese Frische wird ja hauptsächlich durch die Kohlensäure bewirkt.

Noch etwas kommt hinzu: Die Kohlensäure im Bier hilft mit, die Geschmacksstoffe freizusetzen. Bier ohne Kohlensäure schmeckt langweilig; sein Aroma entfaltet sich nicht. Insofern beeinflusst die Schaumkrone auf dem Glas zwar nicht die Zusammensetzung des Biers. Aber auf den Geschmack hat sie doch Einfluss.

Nun, die Studenten mit der Speckschwarte haben wohl ihren Krug in einem Zug hinuntergestürzt. Dann freilich spielte die Frage, ob das Bier einen Schaumdeckel hatte oder nicht, keine große Rolle.

Man braucht gar kein Speckstück, um den Schaum zu zerstören. Ein - Verzeihung! fetter Mund genügt schon. Vielleicht, weil man gerade Schweinefleisch oder Schmalzbrot isst. Bereits Erasmus von Rotterdam, der holländische Humanist, wusste dies, als er im Jahre 1530 übers Bier schrieb: "Wenn Du trinkst, wische Deine Lippen ab, bevor Du den Becher hebst!"

Erasmus hatte den Lippenstift der Damen noch nicht kennengelernt. Sonst hätte er vielleicht auch dazu etwas gesagt. Lippenstifte bestehen nämlich in der Hauptsache aus einem Gemisch von Wachs und Fetten. Das hat den Vor- oder Nachteil, überall gut zu haften - an eigenen und fremden Lippen ebenso wie am Glas.

Schauen Sie drum bei einer Bierparty zu Hause die abgestellten Gläser genau daraufhin an, ob Spuren von Lippenstift dran sind! Nicht nur, dass es unappetitlich ist, dem nächsten Gast solch ein Glas hinzustellen. Auch der Schaum nimmt es übel.

Leider geht Lippenstift mit der üblichen Spülmethode nicht weg. Die nämlich ist sehr einfach: Man spült die Biergläser in frischem, klarem Wasser. Einmal mit heißem unter Einsatz einer runden Glasbürste, dann nochmal mit kaltem. Und stellt sie, feucht, umgekehrt zum Abtropfen und Trocknen hin. Abtrocknen mit einem Gläsertuch ist nicht nötig und auch nicht hygienisch. Sie müssten nach ein paar Gläsern immer wieder ein frisches nehmen.

Biertrinker sparen sich zu Hause Ärger, wenn sie ihre Biergläser nicht zwischendrin zum Milchtrinken benutzen (denn da bleiben oft feine Fettreste im Glas, auch beim Spülen), wenn sie ihre Gläser nicht in der Küche aufbewahren (wo sich Essensdunst niederschlagen kann), sondern sie im Wohnzimmer in einem Gläserschrank umgestülpt stehen haben.

Es ist auch kein Fehler, bereits gereinigte Gläser, die einige Zeit standen, noch einmal zu spülen. Es kühlt die Gläser auch ab; kühle Gläser bekommen dem Bier besser.
Haushalts-Spülmittel sind nichts für Biergläser. Sie wirken nach dem Prinzip der Entspannung. Dadurch können sie Fett lösen; aber sie lösen auf diese Weise auch die Schaumbläschen auf. Sehr streng denkende Biertrinker bestehen deshalb darauf, dass man keine Haushalts-, sondern allenfalls Spezial-Spülmittel verwenden darf, die es in den Supermärkten gibt, bei denen sich die Gaststätten versorgen. Nun, diese Spezialmittel (es gibt mehrere) sind gewiss gut, und wer eine Bierparty mit vierzig Gästen macht, wird sich eine Packung besorgen. Sonst aber sollten Sie nicht allzu ängstlich sein. Fettige und mit Lippenstift verschmierte Gläser können Sie ruhig mit Haushalts-Spülmitteln saubermachen. Sie müssen dann nur intensiv zwei- bis dreimal nachspülen.

Wichtiger wäre, dass sich manche Wirte (und viele Party-Gastgeber) einige Unsitten abgewöhnten, die sich beim Einschenken - vor allem aus dem Zapfhahn - entwickelt haben. Die sollen besonders fachmännisch aussehen, sind es aber gar nicht.

Dazu gehört das Auf- und Niederwedeln mit dem Glas während des Einschenkens. Das erzeugt viel zuviel unnötigen Schaum und lässt einen Teil der Kohlensäure nutzlos verpuffen.

Ein zweiter Unfug ist der Schaumabstreifer. Wer den braucht, kann nicht einschenken.

Und die Gewohnheit mancher Wirte, gleich nach dem Anzapfen einzuschenken (statt den ersten halben Liter wegzuschütten), ist ebenso übel wie der weitverbreitete Brauch, das Bier, das über Nacht in der Leitung blieb, am anderen Tag noch zu verkaufen. Dieses Leitungsbier nennt man mancherorts den "Nachtwächter". Ein guter Wirt hat für diesen Nachtwächter nur den Ausguss parat.

Eine erstaunliche Mode hat sich beim Ausschenken von Pilsner Bier breitgemacht. Manche Wirte und viele private Gastgeber sind stolz drauf, zu wissen: Ein Glas Pils muss ganz langsam, gleichsam Schluck für Schluck, eingeschenkt werden. Darüber können gut zehn Minuten hingehen.

So stolz sollten sie darauf nicht sein, denn das ist Unfug. Ein Glas, an dem man zehn Minuten lang herumgezapft hat, ist nicht mehr frisch. Die Kohlensäure fliegt davon, das Bier wird flau und schal. Wer ein Glas zunächst vorsichtig so mit Pilsner füllt, dass der Schaum zum oberen Rand reicht, dann wartet, bis der Schaum sich gesetzt hat (was schnell geschieht) und schließlich zügig zwei- bis dreimal nachschenkt - der kann das appetitlichste Pils der Welt über die Theke geben. Es hat eine drei bis vier Zentimeter hohe, dichte Schaumkrone und, wenn man's gut gemacht hat, noch ein kleines Krönchen obendrauf. Das Zapfen hat dann drei Minuten gedauert - nicht länger.

Einen speziellen Tipp gibt's fürs Weizenbier. Das sprudelt und schäumt beim Einschenken besonders kräftig. Mancher hat Schwierigkeiten, sein Weißbier aus der Flasche so ins Glas zu bringen, dass nachher nicht bloß Schaum drin ist. Der Trick, den wir meinen, ist allerdings nicht ganz fein und vornehm. Erst spült man das Glas kalt aus. Dann säubert man den Flaschenhals mit einem reinen Tuch, einer Serviette oder einem Papier-Taschentuch, öffnet dann die Flasche und steckt sie mit dem Hals ganz ins schräg gehaltene Glas, bis auf den Grund. Das Bier fließt aus, und während es im Glas hochsteigt, zieht man vorsichtig auch die Flasche höher, damit ein Teil des Flaschenmundes gerade über den Bierspiegel im Glas hinausschaut. (Wenn die Öffnung der Flasche unterm Bierspiegel bleibt, fließt kein Bier mehr heraus.) Das hält den Schaum in Grenzen, aber er bildet dennoch eine schöne Krone.

Bierausschank
So stolz waren die Wirte vor hundert Jahren, als sie in ihren Gaststätten Bier mit Kohlensäure zapften: Sie vermerkten das extra auf einem großen Schild. Auf unserem alten Stich hängt es an der Wand hinter der Theke. Am Anfang der Seite haben wir es, der Lesbarkeit zuliebe, vergrößert.

>> Eiskalt in der Badewanne

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