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Durst wird durch Bier erst schön

SO KAM DAS BIER ZUM BÄRENFELL

Wikinger-HumpenDie alten Germanen waren ungeheuer durstig. Aber am durstigsten waren ihre Götter. Die nahmen das Himmelsgewölbe als Braukessel.Bier

»Es wohnten die alten Germanen zu beiden Seiten des Rheins. Sie lagen auf Bärenhäuten und tranken immer noch eins«.

So weiß man´s von unseren Vorfahren. Besser gesagt: Man weiß es nicht von ihnen, sondern ist auf die Behauptungen anderer Leute angewiesen. Denn die Germanen waren Analphabeten. Sie lasen und sie schrieben nicht. Um die Zeitwende entwickelten sie zwar die Runen - aber die waren eher Zauberzeichen als ein Alphabet, mit dem man Brauereiprobleme festgehalten hätte.

Deshalb ist uns aus vorchristlicher Zeit leider gar nichts germanisch Schriftliches überkommen. Wir sind auf andere Quellen angewiesen, um zu erfahren, wie es die Germanen mit dem Biere hielten. Beispielsweise auf Berichte der Römer, die in Germanien eindrangen, auf Ausgrabungsfunde oder auf überlieferte Gesänge, die später aufgezeichnet wurden.

Die ausführlichsten Reportagen über Tun und Treiben der alten Germanen und auch über ihr Bier - haben wir von Cornelius Tacitus. Der war ein römischer Geschichtsschreiber. Er lebte im ersten Jahrhundert nach Christus und hielt sich gerne bei den nordischen Völkern auf. Deren eheliche Treue beeindruckte ihn, wie er schrieb, am meisten. Doch die germanischen Trinkgepflogenheiten versetzten ihn immer wieder in Erstaunen. In seiner »Germania« berichtet er, dass die alten Deutschen beständig riesige Trinkhörner in den Fäusten hielten, auf Bärenfellen lagen und Honigmet sowie Bier tranken. Sie könnten wohl Hunger und Kälte ertragen, »nicht aber den Durst«.

»Tag und Nacht durchzechen sie«, notierte er, »und man könnte sie ebenso gut durch die Lieferung berauschender Getränke überwinden wie durch Waffengewalt«.

Es stimmt: Die Germanen feierten viel und gerne. Auch der arabische Diplomat Ibn Fadlan berichtet, die Germanen seien außerordentlich trinkfest gewesen. Es gehörte zu ihren Gepflogenheiten, Gäste unter den Tisch zu trinken - was allerdings bildlich zu verstehen ist: Man lag ja praktischerweise schon auf dem Bärenfell. Bei jeder Versammlung, bei jeder Hochzeit, bei jeder Beerdigung wurden reich verzierte Auerochsen-Hörner herumgereicht, gefüllt mit Met oder Bier.

Beides wurde gerne und viel getrunken. Met bestand aus vergorenem wildem Honig und Wasser. Das Bier wurde auf die uns schon bekannte Art hergestellt: mit vergorenem Brot. Wann die Germanen mit dieser Brautechnik begannen, weiß man nicht; auf jeden Fall lange vor den Griechen und den Römern. Man kennt keinen Weg, auf dem das Wissen übers Bierbrauen aus dem Nahen Osten nach Germanien gedrungen sein könnte. So muss man einfach annehmen, dass die Germanen selbst erfindungsreich genug waren, das Bier zu entdecken.

Es ist sicher, dass sie ums Jahr 800 v. Chr. (oder noch früher) bereits brauen konnten. Denn damals wurde im oberen Maintal, in Kasendorf, elf Kilometer südwestlich vom heutigen Kulmbach, ein vornehmer Germane beigesetzt. Der bekam als Wegzehrung einen biergefüllten Krug ins Grab. Als man die Stelle unlängst fand, enthielt der Krug noch Spuren von Fladenbrot-Bier.

Leicht hatten es die Germanen mit ihrem Bier bestimmt nicht, wenn man bedenkt, dass ihr Land weithin nur verwilderter Urwald oder Sumpfgebiet war. Lediglich entlang der Flussläufe, in den Tälern und Auen, ließ sich Getreide anbauen. Dabei entwickelten die Germanen »große Geduld und Ausdauer«, wie Tacitus schrieb. Viel von diesem Getreide wurde zu Bier verarbeitet. (Der dänische Historiker Saxo Grammaticus behauptete sogar, einst sei eine Hungersnot ausgebrochen. weil die trunksüchtigen Germanen alles Korn zum Bierbrauen benutzt hätten. Aber das braucht man nicht unbedingt zu glauben; Herr Grammaticus übertrieb gern.)

Die Germanen machten schon bald die Erfahrung, dass man Bier nicht nur aus Brot bereiten kann, sondern dass es genügt, Getreidekörner keimen zu lassen und dann zu trocknen. In vielen Dörfern gab es primitive Darren, einen Rost aus Flechtwerk, der in sicherem Abstand über der Feuerstelle angebracht war. Darauf breiteten die Frauen die grünen, aufgeweichten Körner aus und ließen sie schmoren. Überall, wo bei Ausgrabungen altgermanische Siedlungen aufgespürt wurden, fanden sich auch Geräte zur Bierbrauerei: Gefäßscherben und Kessel mit getrockneten Resten. Auch Tongefäße gab es, auf die ein Deckel passte, der mit Tonstiften festgehalten wurde. Diese Gefäße grub man, um das Bier kühl aufzubewahren, in die Erde ein.

Unsere Vorfahren hatten auch bald gemerkt, dass es sinnvoll ist, die Bierwürze zu sieden oder wenigstens heiß zu machen. Sie kannten zwei Methoden. Bei der einen warfen sie heiße Steine in den gefüllten Kessel. Diese Art hat sich in Kärnten bis in die neuere Zeit erhalten. Im Deutschen Museum in München können Sie die originale Ausstattung einer Kärntner Stein-Bierbrauerei sehen.

Meist aber wurde das Gebräu über dem Feuer gesotten. Der römische Geograph Strabo berichtet, dass die Kimbern dafür große Kessel aus Bronze hatten. Diese Kimbern (die aus Jütland nach Süddeutschland und Gallien kamen, wo Strabo sie traf) müssen, wie alle Germanen, ein sehr trinkfreudiges Volk gewesen sein. Denn ein Kimbern-Kessel fasste - laut Strabo - 20 Eimer. Das sind, umgerechnet, 500 Liter.

Die Bierkessel waren den Germanen sehr wichtig. Ihre Herstellung war nicht leicht. So hatten die Kessel über ihren praktischen Wert hinaus eine fast mythische Bedeutung. Der größte Braukessel, den die Germanen kannten, stand in Walhalla. Da ließ sich Göttervater Wotan gelegentlich auf einen Brau-Wettstreit mit der Götter-Braumeisterin Frigga ein.

>> So kam das Bier zum Bärenfell - Teil II

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